Synoptische Übersicht - Mittelfrist

ausgegeben am Montag, den 29.12.2025 um 10.30 UTC



Unbeständiger und weitgehend winterlich geprägter Witterungsabschnitt mit "Überraschungspotenzial" (Luftmassengrenze mit markanten Schneefällen)

Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 05.01.2026

Eines lässt sich an dieser Stelle schon mal vorwegnehmen. So langweilig, wie sich das Wetter über weite Strecken des in Kürze endenden Dezembers präsentiert hat, geht es nicht weiter. Just zum Jahreswechsel scheint sich die Atmosphäre daran zu erinnern, über welch Möglichkeiten sie verfügt, Wetterabläufe interessant und auch noch spannend zu gestalten. Das freut nicht nur die echten Wetterkonsumenten und Anhänger winterlich-synoptischer Prozesse. Auch wir Meteorologen haben die Nase voll von Inversion, Nebel, Hochnebel, Nieselregen/Nebelnässen (mit perfider Glatteisbildung) und dem ganzen Grenzschichtgedöns. Endlich passiert mal wieder was, wenn auch noch längst nicht alles in trockenen Tüchern ist (schlechte Metapher, steht doch Niederschlag ganz weit vorn auf der Mittelfristagenda). Wo die Tücken verborgen sind und wo die Varianzen der Vorhersage liegen, dazu im nun folgenden Bulletin mehr.

Steigen wir ein am Donnerstag dem 1. Januar 2026, Neujahr, der zufällig mit dem ersten offiziellen Tag der Mittelfrist zusammenfällt. Wer das traditionelle Neujahrsspringen der Vierschanzentournee in Garmisch-Patenkirchen gewinnt, lässt sich heute noch nicht sagen. Was sich aber an mit Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen lässt, sind die Wetterbedingungen: sonnig und nach frostiger Nacht tagsüber leichte Plusgrade. Je weiter man sich allerdings vom Alpenrand in Richtung Norden orientiert, desto weniger scheint die Sonne, dafür wird ordentlich Schmackes geboten. Nicht nur, dass der aktuell noch über Nordosteuropa positionierte Potenzialtrog seinen Wirkungsradius immer weiter gen Südwesten ausweitet. Hinzu kommt ein veritables, an einen ausgeprägten Kurzwellentrog gekoppeltes Sturmtief, das mit einem Kerndruck von etwas unter 980 hPa von der Norwegischen See via Skagerrak nach Südschweden zieht. Vor allem für die Nordhälfte unseres Landes bedeutet das einen lebhaften, voraussichtlich nicht nur an den Küsten und im Bergland teils stürmischen Südwestwind. Hinzu kommt die eher schwach ausgeprägte Kaltfront des Tiefs, die im Tagesverlauf die Mitte ansteuert und auf ihrer Rückseite erwärmte maritime Polarluft (T850 um -4°C) heranführt. Dabei kommt es zu zeitweiligen Niederschlägen, die spätestens in der Nacht zum Freitag den zentralen Mittelgebirgsraum erreichen, wo sie meist als Schnee mit geringer Intensität runterkommen. In Norddeutschland hingegen überwiegt zunächst die flüssige Phase (nicht kalt genug, Nordseeeinfluss, Durchmischung), bevor vielleicht in der Nacht ein paar Schneeschauer an den Start gehen. Am meisten Niederschlag fällt über sowie im Dunstkreis der Deutschen Bucht, wo sich Schauerstraßen etablieren können, in denen es zu wiederholten Huschen, teils mit Graupel kommt. Mit Annäherung des o.e. KW-Trogs samt Höhenkaltluft (T500 um -35°C) nimmt von der Nordsee her zudem die Gewitterwahrscheinlichkeit zu, die bei günstiger Scherung und reichlich Höhenwind von (schweren) Sturmböen 9-10 Bft, über See vielleicht sogar von orkanartigen Böen 11 Bft begleitet sein können.

Bevor wir uns am Freitag dem nationalen Geschehen widmen, sollten wir uns erstmal einen Blick durch die Globalbrille gönnen. So hat sich der klobige Trog bis zum westlichen Mitteleuropa ausgeweitet, was Deutschland unter eine deutlich zyklonal konturierte Zonalströmung bringt. Vorübergehend sollte man hinzufügen, dreht die Höhenströmung am Wochenende doch auf Südwest zurück. Fast noch wichtiger als dieser Sachverhalt ist aber die Tatsache, dass die großräumige Druckverteilung ein wunderbares Vierdruckfeld mit Frontogenesepotenzial aufweist: Tiefs am Südrand des Bottenbusens sowie westlich der Iberischen Halbinsel steht hoher Luftdruck west-südwestlich von Island sowie im zentralen und östlichen Mittelmeerraum gegenüber. Während das nördliche Pärchen versucht, arktische Polarluft möglichst weit nach Süden zu verfrachten, hält das südliche Duett mit subtropischen Luftmassen dagegen. Und so kommt es wie es fast immer kommt, wenn sich derartige Giganten batteln: Es bildet sich eine (hoch)barolkine Luftmassengrenze (LMG), deren genaue Positionierung der Numerik aber noch einiges Kopfzerbrechen bereitet. Am Freitag hat Deutschland mit dieser sehr wahrscheinlich südlich von uns entstehenden LMG erstmal noch nichts zu tun. In der Mitte schneit es im Bereich der vergammelnden Kaltfront ein wenig (tiefe Lagen evtl. Schneeregen oder leichter Regen), im Norden entwickeln sich Regen-, Graupel- und Schneeschauer mit einzelnen Gewittern. Dazu bleibt es vornehmlich in der Nordhälfte weiterhin windig bis stürmisch.

Jetzt zum ersten Wochenende des Jahres 2026, das es mit hoher Wahrscheinlichkeit in die Schlagzeilen von Print, Funk und Fernsehen sowie der (a)sozialen Medien schafft. Nicht etwa, weil der Ball wieder rollt, das tut er erst eine Woche später. Es ist soweit (vielleicht schon in der Nacht zum Samstag), die LMG betritt die Bühne. Von Süden her schiebt sie sich Schritt für Schritt dichter an den Vorhersageraum heran, die Zone mit der höchsten Baroklinität legt sich über die Alpen. Von der Schweiz und Frankreich her setzt länger andauernder, teils bis Sonntag anhaltender Niederschlag ein, der sich über Süddeutschland ostwärts ausbreitet. Mit der nun südwestlichen Höhenströmung ziehen immer wieder kurze Wellen im Bereich der LMG durch, die für Intensitätsschwankungen innerhalb des Niederschlagsereignis sorgen. Und da der Süden Stand heute (wenn auch nicht zu 100%) auf der kalten Seite der LMG verbleibt, reden wir hier größtenteils über Schneefall, markanten Schneefall und das bis in tiefe Lagen, auch wenn es anfangs noch Regen sein kann (teils gefrierend) - ja gibt´s sowas noch! Doch bevor nun alle süddeutschen Schneefans aus dem Sattel gehen und den Puls auf 180 bringen, hier gleich mal der erhobene Zeigefinger des schulmeisterlichen Meteorologen. Noch ist die Prognose unscharf, was bei Grenzwetterlagen dieser Art auch völlig normal ist. Leichte bis mittelschwere (GFS/ICON) Positionsverschiebungen der LMG können ebenso einen hohen Impact haben wie Phasenunterschiede der angesprochenen kurzen Wellen (wenig/viel Neuschnee, evtl. sogar Regen). Daher von dieser Stelle (noch) nicht volle Attacke, dafür kontrollierter Optimismus, auch wenn es sicherlich nicht alle klasse finden, wenn es im Süden wie blöde schneit.

Kurz noch der weitere Werdegang auf Basis von IFS: am Sonntag voraussichtlich Abziehen der LMG nach Südosten und Übergangs zu TrM (Trog Mitteleuropa) mit hochreichender polarer Kaltluft => winterlich.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Zu Beginn der Mittelfrist ist die Konsistenz von IFS (ECMF) noch in Ordnung, bevor es schon beginnend am Freitag, vor allem dann aber am ersten Wochenende des neuen Jahres sichtbar diffuser wird. Unstrittig ist, dass sich die Großwetterlage allgemein ändert hin zu deutlich mehr Tiefdruckeinfluss mit wiederholten Niederschlägen. Unstrittig auch, dass es überwiegend maritim-polare Luftmassen sind, die das Geschehen hier bei uns bestimmen. Was aber noch nicht eingetütet ist, sind die genauen Niederschlagsabläufe, sowohl hinsichtlich des Timings als auch der detaillierten räumlichen Verteilung und natürlich auch in Bezug auf die Phase. Es ist allerdings davon auszugehen, dass das Wort Schnee die Wetterberichte dominierten wird und dass wahrscheinlich nicht nur im Zusammenhang mit dem Wort Bergland. So könnte es am Wochenende ohne Weiteres passieren, dass in Teilen Süddeutschlands eine richtig fette Portion der weißen Pracht abgeladen wird, wohlbemerkt nicht nur ein paar Zentimeterchen, was unsere sensible Verkehrsinfrastruktur mächtig auf die Probe stellen oder - pessimistisch bis realistisch ausgedrückt - schlichtweg überlasten würde. Denkbar aber auch, dass die Schneefälle weiter in die Mitte ausgreifen (und Teile des Südens frei bleiben) oder sogar ein Streifen von Westdeutschland bis hoch nach Mecklenburg-Vorpommern eingeschneit wird.

Fragen? - Sicher ja. Antworten? - Eher im Konjunktiv und damit nur bedingt belastbar.



Vergleich mit anderen globalen Modellen

Häufig wird an dieser Stelle ja von Kongruenz und Harmonie unter den Elefanten internationaler Globalmodelle gesprochen. Heute kristallisieren sich aber nicht ganz unerhebliche Unterschiede heraus. Einer der Hauptursachen dafür ist die genaue Positionierung der Vierdruckfeldprotagonisten und davon abhängig eben auch die Vita der LMG. So lassen GFS und auch ICON (jeweils 00 UTC) diese weiter in den Westen und Norden Deutschlands vorankommen, so dass bis Montagmorgen nicht etwa der Süden die dicke Schneepackung abbekommt. Betroffen wäre stattdessen ein etwa 200 bis 300 km breiter Korridor, der von RP/Rheinland bis nach Nordostdeutschland reicht. In die Südosthälfte würde Warmluft einströmen (T850 z.T. deutlich über 0°C), Föhn wäre ein Thema und auch der Übergang zu TrM würde ausfallen. Womit wir wieder bei einer Kernerkenntnis der Altvorderen wären: Wetter ist nicht vorhersagbar! Zumal der 06-UTC-Lauf von GFS die LMG nun auch nicht mehr ganz so weit nach Norden setzt wie sechs Stunden zuvor.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Schaut man sich daraufhin die Ensembles an, so fällt in den Rauchfahnen von IFS-EPS auf, dass das Gros der Lösungen die LMG im Süden belässt. Nur eine Handvoll der illustren Ensemblemitglieder lässt die Warmluft nordwärts bis in die Mitte oder gar den Norden vorstoßen, im Nordwesten (Referenz Hamburg und Wangerooge) sind es genau zwei. GFS-EPS stützt das Szenario seines eigenen Hauptlaufs auch nur bedingt, etwas mehr als die Hälfte bleibt kalt, was auch für das Ensemblemittel gilt.

Für den Zeitraum T+120...168h (Samstag bis Montag) bietet IFS-EPS genau zwei Varianten an, von denen CL 2 (22 Fälle) dem HRES ähnelt. Bei CL 1 (29 Fälle) wäre die LMG nicht so träge wie beschrieben, sondern würde schneller südostwärts weichen. Entsprechend würde sich auch das Muster TrM früher einstellen. Die wenigen warmen Lösungen dürften in CL 2 eingegangen sein, das ja nur Basismuster mit gewisser Streuung darstellt. Die erweiterte Mittelfrist ab Dienstag (T+192...240h) scheint zumindest für IFS-EPS unstrittig: ein sich wiederholt regenerierender, möglicherweise über dem westlichen Mittelmeer abtropfender TrM.

FAZIT: Die Mittelfrist ist spannend wie schon lange nicht mehr, was einerseits an der stark winterlich geprägten Komponente, andererseits aber auch an den noch vorhandenen Unsicherheiten liegt. Im Fokus dabei das kommende Wochenende, wo sich eine Grenzwetterlage einstellen soll. Mehrheitlich (det. und prob.) wird die aus Viererdruck generierte Luftmassengrenze in den Alpenraum gelegt, was für markante Schneefälle in Süddeutschland sprechen würde. Es gibt derzeit aber auch noch andere Lösungen, wonach in der Mitte oder vielleicht sogar im Norden der meiste Schnee fällt.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Am Donnerstag und Freitag steht trotz bereits schon auftretender winterlicher Parameter erst einmal der Wind/Sturm im Blickpunkt des Geschehens. Gerade der Donnerstag bringt der gesamten Nordhälfte einen lebhaften Südwestwind mit Böen 8 Bft, Küste und höheres Bergland 9-10 Bft, Brocken 11 Bft. Darüber hinaus gibt es im Norden eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für kurze Graupelgewitter mit Böen 9-10 Bft. Am Freitag bleibt es in der Nordhälfte windig, voraussichtlich aber eine Stufe weniger als am Vortag.

Am Wochenende rückt dann der Wind mehr und mehr in den Hinter-, dafür der Schneefall in den Vordergrund. Die Unsicherheit im Zusammenhang mit der LMG wurde bereits ausführlich beschrieben. Von "Schneekatastrophe" bis "Rohrkrepierer" ist alles noch möglich, was für die räumliche Verteilung sowieso gilt. Es liegt aber eine erhöhte Wahrscheinlichkeit vor, dass vor allem Teile Süddeutschlands markante Schneefälle abbekommen. Darüber hinaus soll nicht unerwähnt bleiben, dass es auch abseits des LMG-Schneefalls meist konvektiv schneien kann, nur ist die Ergiebigkeit und Ausdehnung geringer. Beschäftigen wird und auch das Thema Glätte, was aber selbst im vom Klimawandel aufgeweichten Wintern normal ist.

Basis für Mittelfristvorhersage IFS-MOS mit IFS-EPS und IFS => LMG im Süden. GFS und ICON werden weitgehend negiert, wohlwissend, dass das auch schiefgehen kann.



VBZ Offenbach / Dipl.Met. Jens Hoffmann